Lukas 11,13: Kann jemand Gott direkt um den Geist bitten?

„Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wieviel mehr wird der Vater, der aus dem Himmel, heiligen Geist geben denen, die ihn bitten“. So ist ein Herrenwort in Lukas 11,13 überliefert. Vorher sagt Jesus noch, dass niemand seinem Kind eine Schlange anbietet, wenn es um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn es um ein Ei bittet.

Vor vielen Jahren habe ich Lukas 11,13 nicht verstanden, während die Parallelstelle in Mt. 7,11 mir einsichtig war. Dort wird durch den Vergleich mit dem menschlichen Vater gezeigt, dass Gott gute Gaben gibt, wenn er darum gebeten wird. Bis ich verstanden habe, dass „heiliger Geist“ und „gute Gaben“ absolut gleichwertig sind. Das Geschenk des Geistes ist weit mehr, als wenn Menschen ihren Kindern Nahrung geben. Gott gibt sich selbst mit dem Geist. Seine Vaterschaft ist das schönste Geschenk, das Gott machen kann. Welcher Mensch ist begeistert, von einem Wurm „Vater“ genannt zu werden? Doch der Unterschied zwischen Wurm und Mensch ist weit geringer, als die Entfernung zwischen Mensch und Gott. Das Geschenk Gottes ist absolut fehlerfrei und vollkommen, weil Gott selber vollkommen ist und nichts die Beziehung zu ihm stören kann und kein menschlicher Mittler erforderlich ist. Gott redet direkt in das Herz. Der Geist Gottes ist mit ihm völlig identisch. Somit ist das, was Gott in das Herz schickt, vollkommen und hat keine Fehler, weil ganz einfach niemand Fehler machen kann.

Diese Aussage in Lukas ist mehr als ungewöhnlich. Jesus zeigt ja nicht auf sich selbst als Mittler zum Geist. Nach Johannes 1, 12+13 gab Jesus die Vollmacht, ein Kind Gottes zu werden, wenn jemand an ihn glaubte.

Die  Apostelgeschichte sieht die Geistestaufe eindeutig als eine Aufgabe der Gemeinde an. In Apostelgeschichte 8 (Bekehrung in Samarien) werden Petrus und Johannes ausgewählt, weil die Geistestaufe wohl als wichtiger angesehen wurde als „nur“ die Heilungen, für die Philippus genügte. Für die Gegenwart ist es noch deutlicher eine Aufgabe der Gemeinde, denn Jesus ist als irdische Person nicht mehr fassbar.

Doch in den Versen nach Lukas genügt schon das Gebet zu Gott. Mit aller Selbstverständlichkeit wird vorausgesetzt, dass Gott Vater genannt wird. Allein für diese Erkenntnis ist viel Zeit nötig. Die Vaterschaft Gottes mit wirklicher Selbstverständlichkeit zu sehen, ist nur bei Jesus zu finden. Aber mit der Vaterschaft Gottes ist es wie mit dem Glauben in Markus 11,23. Zu der Größe, die Vaterschaft Gottes ohne jede Einschränkung zu sehen, ist es ein genauso langer Weg wie zum Glauben, der Berge versetzen kann. Die Selbstverständlichkeit, mit der Jesus beides anderen Menschen zugesteht, macht im ersten Moment etwas hilflos, aber gibt doch Kraft, sich danach auszustrecken. Es ist der Weg zum Leben, wenn niemand da ist, der als Vorbild dienen kann und Menschen allein gelassen sind. Wohl nur wenige Menschen sind innerlich stark genug, diesen Weg zu gehen. „Geisttaufe“ in einer lebendigen Gemeinschaft ist einfacher!

Es gibt keine "wiedergeborenen" Christen!

Mit einer kleinen Notiz möchte ich einem häufigen Missverständnis begegnen. Es scheint unausrottbar in den christlichen Sprachschatz eingedrungen zu sein, dass sich bekennende Christen „wiedergeboren" nennen. Das war aber doch gerade das Missverständnis des Nikodemus in Johannes 3. Jesus sagt in Vers 3 aus, dass niemand in das Reich Gottes kommt, wenn er nicht „von oben her" geboren wird. Das griechische Wort kann aber auch „wiederum" bedeuten. Nikodemus hat das so verstanden und es war ihm nicht klar, wie jemand ein zweites Mal von seiner Mutter geboren werden kann. Das Missverständnis hat Jesus aufgeklärt, indem er ausführte, dass jemand nur in das Reich Gottes kommen kann, wenn er „aus Wasser und Geist geboren" wird (Joh. 3,5). Darunter kann durchaus Wassertaufe und Geisttaufe verstanden werden. Wenn jemand sich zum Christentum bekennt, wird er „von oben her" geboren, er wird zu einem Kind Gottes, aber er wird nicht „wieder" von seiner Mutter geboren. Wenn jemand diese geistliche Geburt gerade erfahren hat, ist er ein neu geborener Christ, aber auch das darf nicht der Dauerzustand sein, sondern jedes Gotteskind soll geistlich erwachsen werden. Das Missverständnis des Nikodemus ist an die griechische Sprache gebunden; in aramäisch wäre diese Unterhaltung nicht möglich. Aramäisch ist wohl die Muttersprache Jesu gewesen, die er fast nur gebraucht hat; besonders deutlich ist das an Markus 5,41 zu sehen, wo das aramäische „talitha kum“ bei einer Heilung erhalten geblieben ist. Irgendwann wurden seine Worte in Griechisch übertragen, denn das ganze Neue Testament ist nur in dieser Sprache überliefert. Diese Schwierigkeit bei der Nikodemus-Erzählung will ich nicht verschweigen.

(In Matthäus 19,28 und Titus 3,5 [Bad der Wiedergeburt] werden griechische Vokabel gewöhnlich mit „Wiedergeburt“ übersetzt; aber die Übersetzung „Geburt von neuem“ oder „Neue Geburt“ ist auch zu verantworten)

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